Ausnahmesportlerin des SV Nennslingen steht vor einem Höhepunkt ihrer bisherigen Lauf-bahn
Die 17-Jährige hat sich als einzigen deutsche Taekwondo-Sportlerin für den Wettkampf am 9. Oktober in Buenos Aires qualifiziert und ist optimal vorberietet. Am Montag geht´s los
Gut gelauntes und eingespieltes SVN-Trio: Vanessa Beckstein (li.) mit ihrer Schwester
und wichtigsten Trainingspartnerin Isabel sowie ihrem Coach Horst Scholz
Bericht von Uwe Mühling
Vanessa Beckstein steh vor dem Höhepunkt ihrer bisherigen Laufbahn. Die 17-Jährige Taekwondo-Sportlerin aus den Reihen des SV Nennslingen startet Anfang Oktober bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires. Am kommenden Montag ist Abflug nach Argentinien mit dem deutschen Team. 75 Athletinnen und Athleten hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nominiert. Vanessa konnte sich als einzige Taekwondo-Kämpferin für das Großereignis qualifizieren. Ihr Wettkampf in der Altersklasse Jugend bis 55 kg wird am 9. Okto-ber über die Bühne gehen. Diesem Tag fiebert die junge Nennslingerin nach einer sehr intensi-ven Vorbereitung entgegen.
" Eine Medaille wäre natürlich ein Traum" sagt Vanessa Beckstein. Ihr ist allerdings bewusst, dass es ihre Konkurrentinnen genau so sehen. Als zweifache Europameisterin und zweifache Bronzemedaillengewinnerin bei der Weltmeisterschaft (jeweils bei den Kadetten und der Jugend) sowie als fünffache Deutsche Meisterin ist sie auf jeden Fall eine heiße Kandidatin.
Auch für ihr Heimtrainer vom SV Nennslingen, Horst Scholz: "Aus seiner Sicht ist eine Medaille auf alle Fälle im Bereich des Möglichen. Vanessa fliegt optimal vorbereitet nach Argentinien."
Besonders stolz ist der SVN-Coach, dass es seinem Schützling als einer von weltweit nur acht Athletinnen gelungen ist, sich für das Großereignis zu qualifizieren. Horst Scholz wird aufgrund der hohen (finanziellen) Aufwands nicht nach Buenos Aires fliegen, ist sich aber sicher, dass Vanessa auf der Kampffläche alles geben wird, um am Ende auf dem Siegertreppchen zu stehen. "Sie hat einen unglaublichen Kampfgeist. Im Wettkampf ist sie knallhart, bleibt aber trotzdem immer fair", sagt Scholz.
"Eine komplette Athletin"
Ähnlich äußert sich Bundestrainer Marco Scheiterbauer über die derzeit erfolgreichste deutsche Taekwondo-Kämpferin bei der Jugend: "Vanessa ist mental sehr stark. Bei den großen Events schafft sie es immer, ihre Leistung auf den Punkt abzurufen. Außerdem ist sie eine komplette Athletin, die alle konditionellen Voraussetzungen mitbringt und über mehrere Kämpfe ein hohes Tempo gehen kann" - maximal drei können es bei der Jugendolympiade werden, nämlich Viertel- und Halbfinale sowie Finale oder Kampf um Platz drei.
Als wahrscheinlich beste Eigenschaft schätzt der Bundestrainer Vanessas "unbedingten Siegeswillen und ihre Kampfintelligenz". Und weiter: "Sie kann den Kampf lesen und trifft in wichtigen Situationen die richtige Entscheidung. Sie arbeitet ständig an ihrer Technik und Taktik und macht auch im Training immer hoch konzentriert mit", sagt Scheiterbauer über die junge Nennslingerin, die in Weißenburg auf das Werner-von-Siemens-Gymnasium geht.
Apropos Schule: Hier besucht die Kaderathletin derzeit die zwölfte Klasse und steuert auf das Abitur zu. Für die Olympischen Spiele (6. bis 18. Oktober) wir sie drei Wochen Unterricht verpassen, denn die Rückkehr mit dem deutschen Team ist erst am 20. Oktober geplant. Das ist schulisch natürlich nicht einfach, sie wird in Argentinien aber versuchen, in der Freizeit und vor allem nach dem Wettkampf möglichst viel zu lernen. Ihre Lehrer am Gymnasium haben bereits die volle Unterstützung zugesagt und werden ihre sportliche Schülerin mit entsprechendem Material versorgen.
Schule und Hochleistungssport unter einen Hut zu bringen, ist ohnehin nicht immer einfach. Gerade in der zeitraubenden Vorbereitungsphase. Zu den normalen Trainingseinheiten kamen in den vergangenen Wochen und Monaten noch sehr viel Sondertraining und zusätzliche fünf Lau-feinheiten pro Woche hinzu - oft schon morgens um 5 Uhr vor der Schule. Klingt ziemlich stres-sig, Vanessa Beckstein macht aber nicht viel Aufhebens darum: Ihr ist klar, dass auch ihre Geg-nerinnen viel trainieren.
Sparring mit der Schwester
Vorteil für sie ist, dass sie einen Großteil der Einheiten zu Hause beim SV Nennslingen absolvie-ren kann. Besonders dankbar ist sie dabei ihrem Trainer und Förderer Horts Scholz, aber auch ihrer Schwester Isabel. Die ältere der beiden Beckstein-Mädels ist ebenfalls eine sehr erfolgreiche Taekwondo-Athletin (deutsche und internationale Titel) und somit eine ideale Partnerin für das Sparring und Wettkampftraining. Dabei hat auch Isabel ein enormes Pensum auf sich genommen, denn sie studiert in Erlangen und pendelt häufig zum Training mit der "kleinen" Schwester nach Nennslingen.
Überhaupt die Familie: Alle unterstützen die Ausnahmesportlerin: "Sie bringen alle sehr viel Verständnis für meinen Sport und müssen vor den großen Turnieren auch meinen Launen ertragen", erzählt Vanessa mit einem Schmunzeln. Die Olympionikin, die in Buenos Aires mit dem Nationalteam im deutschen Haus wohnen wird, freut sich, dass ihre Mutter Marika und ihre Schwester Isabel nach Argentinien reisen und sie vor Ort unterstützen, während Vater Ernst und der jüngere Bruder Mathias von zu Hause die Daumen drücken werden.
Enorme Disziplin und reichlich Durchhaltevermögen sind nötig, um sich überhaupt für Olympia zu qualifizieren. Ihre Motivation zieht Vanessa Beckstein, wie sie selber unterstreicht, vor allem "aus dem Spaß am Sport". Ebenfalls ein positiver Aspekt ist für sie das Reisen, das für sie mit dem Taekwondo verbunden ist. Sie war schon in zahlreichen Ländern Europas unterwegs und hat dort genauso unterschiedliche Kulturen kennengelernt wie in Tunesien (Afrika) oder Südkorea (Asien), Südamerika kommt jetzt als weiterer Kontinent hinzu. Am Taekwondo reizt die 17-Jährige besonders der Kampfgeist, der dahintersteckt, und das Selbstbewusstsein, dass man daraus bilden kann. Ebenfalls wichtig für sie als Sportlerin, bei der Fairness weit vorne steht: "Taekwondo ist eine Kampfkunst, die vielen klaren Regeln folgt, die man einhalten muss".
Silber vor acht Jahren
So wird es nun auch in Argentinien sein. Als erste Nennslingerin und als zweite Sportlerin aus dem Weißenburger Raum startet sie bei der Jugend-Olympiade. Die Vorgängerin war Antonia Katheder vom TSV 1860 Weißenburg. Die Störzelbacherin hat im Jahr 2010 bei der Premiere der Olympischen Jugendspiele in Singapur Silber geholt, und zwar ebenfalls im Taekwondo. Das wäre natürlich auch für Vanessa Beckstein acht Jahre später ein Riesenerfolg.
Gut gerüstet scheint sie zu sein: Mit der Vorbereitung zeigten sich sowohl Heimtrainer Horst Scholz als auch Bundestrainer Marco Scheiterbauer sehr zufrieden. Daran konnte auch das abschließende Turnier in Warschau nichts ändern. Bei der Polish Open waren beide Beckstein-Schwestern am Start, hatten aber mit logistischen Problemen schwer zu kämpfen. Isabel musste, zermürbende Wartezeiten hinnehmen und schied dann frühzeitig aus. Vanessa war aufgrund von Terminen des DOSB unter Zeitdruck, gewann aber dennoch ihre ersten beiden Kämpfe. dann musste sie aufgrund organisatorisch bedingten Zeitverzögerungen auf den dritten Fight verzichten - der gebuchte Flieger nach München hätte sicher nicht gewartet.
"Kein tolles Turnier" lautete das trockene Fazit von Trainer Horst Scholz. Er zog aber gleich den positiven Aspekt heraus: "Eine schlechte Generalprobe war schon immer gut".
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